Jedes Jahr kommt es zu ca. 2,29 Millionen polizeilich erfassten Verkehrsunfällen auf deutschen Straßen. Während diese Zahl auf einem kontinuierlich hohen Niveau befindet, so sinken die Zahlen der Verletzten und getöteten Personen von Jahr zu Jahr. So kamen 2014 nur noch 3377 Menschen im Straßenverkehr zu Tode. Im Vergleich zu 1970 (21300 Tote) ist dies ein Rückgang von 84,5 Prozent. Für diesen Rückgang sind insbesonders den Innovationen der Automobilindustrie zu verdanken. Besonders elektrische Fahrerassistenzsysteme, eine Vielzahl von Airbags und verbesserte Werkstoffe im Fahrzeugbau sorgen für diesen Sicherheitszuwachs.
Dieses Sicherheitsplus stellt die Rettungskräfte jedoch im Fall der Fälle vor neue Probleme. Um jedoch bei Verkehrsunfällen adäquat handeln zu können, ist die Feuerwehr Moringen mit spezieller Technik ausgerüstet, welche wir Ihnen auf den folgenden Seiten vorstellen möchten.
Laut der Alarm- und Ausrückeordnung der Feuerwehr Moringen, wird bei Verkehrsunfällen mit eingeklemmten Personen zusätzlich zu der Moringer Wehr auch der Rüstwagen 2 von der Feuerwehrtechnischen Zentrale Northeim mitalarmiert. Hierdurch steht ein weiterer Rüstsatz an der Einsatzstelle zur Verfügung.
Um Öffnungen zur Versorgung und Betreuung von eingeklemmten Personen nach Verkehrsunfällen zu schaffen, ist es meist nötig verschiedene Fahrzeugsäulen zu durchtrennen, oder andere Schnitte ins verunfallte Fahrzeug zu setzen. Dies ist bei modernen PKW für die Feuerwehren jedoch zunehmend schwieriger. Denn die Verwendung von ultrahochfesten Borstählen zur Verbesserung der Seitenaufprall- und Überschlageigenschaften lassen besonders die Rettungsscheren schnell an ihre Grenzen stoßen. Diese Grenzen werden insbesondere im Bereich der B-Säulen, der Dachholme und weiterer Verstärkungen bspw. in den Türen erreicht.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden verwendet die Feuerwehr Moringen zurzeit die Rettungsschere RSX200-107 aus dem Hause Weber Hydraulik. Zum Betrieb der Schere wird ein Öldruck von 700 bar benötigt. Im optimalen Schnittpunkt kann diese Schere eine Schneidkraft von 1050 kN aufbringen. Das entspricht etwa 107 t. Die maximale Öffnungsgröße der Schere zwischen den Spitzen beträgt 200 mm.
Mit diesem Gerät ist die Feuerwehr Moringen noch in der Lage selbst Unfallszenarien an neueren Fahrzeugen abzuarbeiten. Sollte es wider Erwarten zu Problemen beim Durchtrennen von Fahrzeugsäulen geben stehen den Einsatzkräften verschiedene alternative Rettungstechniken und -wege zur Verfügung, um den Patienten trotzdem schnell zu befreien.
Ein weiteres wichtiges Werkzeug zur Rettung von eingeklemmten Personen ist der Spreizer. Mit ihm lassen sich beispielsweise Türen und Klappen an Kraftfahrzeugen öffnen, um Betreuungs- oder Rettungsöffnungen zu schaffen. Weiterhin ist es möglich mit dem Spreizer Lasten anzuheben, Spalte und Öffnungen zu vergrößern oder auch Fahrzeugteile zu stauchen und zu pressen.
Für diese Aufgaben verwendet die Feuerwehr Moringen einen Spreizer SP49 der Firma Weber Hydraulik. Der doppelwirkende Hydraulikzylinder hat einen Betriebsdruck von 700 bar. Dieses 20 kg schwere Gerät kann an den Spitzen des Spreizers eine Kraft von 54 kN aufbringen. Dies entspricht rund 30 Tonnen. Die maximal erreichbare Spreizkraft vergrößert sich entlang der Spreizerarme nach Innen auf eine Maximalkraft von 330 kN. Bei dieser Spreiz- und Schließkraft steht jedoch nahezu kein Öffnungsweg mehr zur Verfügung, wodurch diese Kraft für die Anwendung nicht maßgebend ist.
Weiterhin ist es möglich die Spreizerspitzen auszutauschen und gegen Zugketten zu ersetzen. Vor vielen Jahren war das so genannte Ziehen der Lenksäule eine beliebte Rettungstechnik zur Befreiung von eingeklemmten Personen. Hierfür wurden die Zugketten an der Frontachse und an der Lenksäule des Fahrzeugs befestigt. Der Spreizer wurde auf der Motorhaube abgelegt. Durch schließen des Spreizers wurde die Lenksäule in Richtung der Vorderachse kreisförmig hingezogen. Durch die konstruktiven Eigenschaften des Armaturenquerträgers und der Lenksäule zählt diese Rettungsmethode jedoch nicht mehr zum Standardverfahren. Dieses Verfahren wird nur noch als allerletzte Rettungsvariante angewandt, falls keine anderen Varianten zu einer Entklemmung führen.
Eine immer wichtigere Bedeutung in der technischen Hilfeleistung nach Verkehrsunfällen erhalten hydraulische Rettungszylinder. Nur mit ihnen ist es möglich innerhalb kürzester Zeit große Deformationen zurückzudrücken, um viel Platz um einen eingeklemmten Patienten bei Verkehrsunfällen zu schaffen. Dieser Platz wird benötigt, um weitere Ansatzpunkte mit Geräten zur technischen Rettung zu schaffen. Auch der Notarzt benötigt Platz rund um den Patienten, beispielsweise zur Behebung einer Atemwegsverlegung.
Die Feuerwehr Moringen verfügt über die drei Rettungszylinder RZ 1, RZ 2 und RZ 3. Diese Rettungszylinder haben eine Druckkraft von 137 kN, dies entspricht etwa 13 Tonnen. Seine Anfangslänge beträgt 530 mm und setzt damit nahtlos an an der maximalen Öffnung des Spreizers an. Wird der Rettungszylinder voll ausgefahren, erreicht er eine Endlänge von 850 mm. Der RZ 2 hat eine Anfangslänge von 750 mm und kann bis zu 1250 mm ausgefahren werden. Der RZ 3 beginnt bei 1100 mm und hat eine Endlänge von 1600 mm.
Weitere Anwendungsgebiete eines Rettungszylinders sind beispielsweise das Wegdrücken des Vorderwagens, um Einklemmungen im Unterschenkel und Fußbereich zu beheben. Auch lassen sich mit Rettungszylindern schnell große Lasten anheben. Eine weitere Anwendung der Rettungszylinder folgt aus der Verwendung ultrahochfester Werkstoffe. Wenn die Rettungsscheren beim Durchtrennen einer Säule an ihre Grenzen stößt, ist es beispielsweise möglich die Säule aus dem Dachholm mittels eines Rettungszylinders abzureißen.
Um Verkehrsunfälle patientenorientiert und zügig abarbeiten zu können, ist neben modernen hydraulischen Rettungsgeräten auch ein modernes und umfangreiches Zubehör nötig. Einige der wichtigsten Geräte und Werkzeuge werden Ihnen an dieser Stelle vorgestellt.
Je nach Crashsituation entscheiden Bordcomputer, welche Airbags zum Schutz der Insassen nötig sind und ausgelöst werden sollen. In der Regel handelt es sich dabei nicht um alle Airbags. In Einsatzsituationen stellen nicht ausgelöste Airbags für die Feuerwehren und die noch eingeklemmten Personen eine besondere Gefahr dar: Während der, sich in Sekundenbruchteilen öffnende, Luftsack unmittelbar vor einem Zusammenprall Leben retten kann, so können von einem auslösendem Airbag während der Rettungsarbeiten schwere Verletzungen ausgehen.
Um sich hiervor zu schützen, verwendet die Feuerwehr Moringen neben einer angepassten Einsatztaktik auch Airbag-Rückhaltesysteme. Diese Airbag-Kralle wird dazu über das Lenkrad gezogen und zerstört einen sich aufblasenden Luftsack, noch bevor von ihm eine Gefahr ausgeht. Dies ist natürlich nur nötig, falls der Fahrerairbag noch nicht ausgelöst hat.
Um ein unkontrolliertes Zerspringen von Einscheiben-Sicherheitsglas (kurz: ESG), welches die eingeklemmten Personen und Einsatzkräfte zusätzlich gefährden würde, zu verhindern und Ansatzpunkte für die Rettungsgeräte zu schaffen, werden diese zu Beginn der Rettungsmaßnahmen entfernt. Hierfür werden Federkörner verwendet. Durch eine gespannte Feder, wird ein kurzer starker Schlag auf das Glas ausgeübt, wodurch das ESG in viele kleine Splitter zerfällt.
Frontscheiben in Kraftfahrzeugen, sowie weitere Fenster in Fahrzeugen der Oberklasse, bestehen aus Verbund-Sicherheitsglas (kurz: VSG). Diese Scheiben können konstruktionsbedingt nicht mit einem Federkörner zerstört werden. Wenn es für die Rettung erforderlich ist, können diese Scheiben mittels einer Glassäge geschnitten werden. Da hierbei sehr feiner Glasstaub entsteht, kann mit der Säge nur in der Zugbewegung gesägt werden. Hierdurch wird ein Großteil des Glasstaubs aus dem Fahrzeug heraus getragen. Zusätzlich schützen sich die Einsatzkräfte vor dem Glasstaub mit Staubschutzmasken. Der Patient wird mittels einer Decke geschützt.Das Zertrennen von Glasscheiben ist auch mit dem Blechaufreißer am Halligan-Tool möglich. Bei älteren PKW ist das Entfernen der Frontscheibe auch möglich, indem die Gummidichtung mit einem speziellen Messer entfernt wird.
Sollte das Abkleben von Scheiben notwendig sein, stehen hierfür verschiedene Rollen Klebeband zur Verfügung.
Als modernes und universelles Brechwerkzeug ist das Halligan-Tool ein wichtiges Hilfsmittel bei Verkehrsunfällen. Dieses Werkzeug wird im Bereich der Brechwerkzeuge genauer beschrieben.
Die Hydraulikheber (eigentlich Hydraulik-Hebezeug Büffel) dienen zum Anheben von Lasten mit einem Maximalgewicht von 5 t, beziehungsweise von 50 kN. Die 25 kg schweren Geräte sind 660 mm lang und können durch den hydraulischen Kolben auf maximal 940 mm Gesamtlänge ausgefahren werden.
Damit der Leiter der technischen Rettung seinen Rettungsplan und Erkundungsergebnisse in einfacher Form an die Geräteführer weitergeben kann, nutzt dieser spezielle Kennzeichnungsstifte. Diese Stifte schreiben auch unter extremen Witterungsverhältnissen gut sichtbar auf jede Autofarbe. Somit können die Geräteführer ihren Einsatzauftrag nicht vergessen und haben die Schnittmarkierungen stets vor Augen.
Neben den großen technischen Geräten, sind auch kleine Handwerkszeuge bei Verkehrsunfällen notwendig. So kommen neben verschiedenen Schraubenziehern auch Maulschlüssel zum Einsatz, um ggf. Fahrzeugbatterien abzuklemmen. Aber auch Gurt- und Seitenschneider werden genutzt, um Sicherheitsgurte oder Stromleitungen zu durchtrennen.
Selbst ein Bolzenschneider wird teilweise genutzt, zum Beispiel um Türfangbänder zu schneiden. Solche Arbeiten sind grundsätzlich auch mit hydraulischen Geräten möglich, jedoch stehen diese wichtigen Geräte somit an anderer Stelle am Fahrzeug zur Verfügung.
Zur Stabilisierung von Fahrzeugen nach Verkehrsunfällen verfügt die Feuerwehr Moringen über mehrere Rüsthölzer in verschiedenen Formen aus Hartholz. Diese werden benötigt, um Vibrationen und Bewegungen abzufedern und zu verhindern, welche durch die technische Rettung am Fahrzeug entstehen. Aufgrund der Verletzungsmuster der Insassen, können solche Vibrationen die Verletzungen weiter verschlimmern.
Weiterhin werden die Rüsthölzer benötigt, um den Geräten zur technischen Rettung Widerlager zu bieten, damit die Kräfte punktgenau eingeleitet werden können.
Der Schwelleraufsatz wird zusammen mit den hydraulischen Rettungszylindern eingesetzt, falls diese zum Abreißen einer Säule oder zum Wegdrücken des Vorderwagens genutzt werden. Mit dem Schwelleraufsatz erhält der Rettungszylinder einen besseren Halt auf dem Fahrzeugschweller. Weiterhin findet eine bessere Kraftverteilung statt.